Die Entwicklung des Gehirns


Wie entstehen unsere Prägungen in der präverbalen frühen Entwicklung ?

Der Bau und die Funktion des Gehirns ist optimiert für eine psychosoziale Kompetenz, das Gehirn also weniger ein Denk- als vielmehr ein Sozialorgan. Synapsen, die unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen, sind durch genetische Programme nicht endgültig festgelegt und in jedem Alter zu beeinflussen.

Synchronisierte Interaktionen zwischen Mutter, Vater und Baby sind essentiell für dessen emotionale Entwicklung. Dies praktizieren die Eltern, indem sie schon mit ihrem Ungeborenen reden, singen  und auch über Berührung am Bauch Kontakt aufnehmen.

Das Gehirn entwickelt sich und funktioniert sequentiell: von unten nach oben («bottom-up»). Das Rückenmark, der Gehirnstamm und bestimmte limbische Strukturen funktionieren als Erste. Erst nach der Geburt beginnen obere Regionen wie der Kortex mit der Synaptogenese.

Pränatale Erfahrungen beeinflussen auf direktem Weg eher die unteren Regionen, setzen aber indirekt Grenzen für den Aufbau und die Programmierung der höheren Regionen.

Pränatale Programmierung | Kortex: Bewusstsein | Limbisches System: Gefühle | Hirnstamm: Instinkte, Überleben
Pränatale Programmierung | Kortex: Bewusstsein | Limbisches System: Gefühle | Hirnstamm: Instinkte, Überleben

 

 

Die Kräfte, die unser Verhalten bestimmen, sind grösstenteils in drei verschiedenen Gehirnsystemen lokalisiert: im Kortex (verarbeitet das Bewusstsein), im limbischen System (Sitz der Gefühle) und im Gehirnstamm (verarbeitet Instinkte und Überlebensfunktionen).
Letzterer stellt den Antrieb her, der Gefühle energetisiert. Die Muster von Kampf, Flucht oder Erstarren («fight, flight or freeze») sind im Gehirnstamm eingeprägt. Wenn eine Bedrohung auftaucht, schlägt der Gehirnstamm Alarm und energetisiert den Körper.

Dieser niedrigste Teil des Gehirns speichert aber auch unsere pränatalen physiologischen Reaktionen auf extrem leidvolle Ereignisse, wie gewalttätige Zeugung, Ungewollt sein, Zwillingsverlust, Nah-Toderfahrungen, Abreibungsdrohung oder Geburtskomplikationen.

Der Gehirnstamm besteht aus

  • Medulla (Regulation von Herzfrequenz, Blutdruck, Verdauung und Atmung
  • Pons (Weiterleiten der Sinnesinformationen)
  • Mittelhirn (Augenbewegung, Pupillenerweiterung, Koordination der Bewegung von Gliedmassen)
  • Locus coeruleus (Wachsamkeit)
  • Formatio reticularis (Energetisierung des Systems. Sammelstelle der Körpersinne, die in groben Zügen eine Gestalt der Umweltbotschaften an das übrige Gehirn sendet, damit es reagieren kann).  
  • Manchmal werden Thalamus (Schaltzentrale für Sinneseindrücke) und Hypothalamus (Hormonproduktion) dazugerechnet.


Das Kontrollsystem für Bindungsverhalten ist im orbitofrontalen Kortex der rechten  Hemisphäre lokalisiert (genau hinter dem rechten Auge). Diese Region ist der Schaltkreis zwischen den «niederen» emotionalen Bereichen und den «höheren» denkenden Bereichen. Hier werden kognitive und emotionale Prozesse integriert und koordiniert.

Er ist so vernetzt, dass er (von Geburt an)

  • Gesichtsausdrücke lesen kann
  • Emotionale Signale erkennt
  • Emotionale Ergebnisse mit kontextuellen Hinweisen verbindet und eine
  • Einzigartige Sensitivität für Kommunikation mit Blickkontakt besitzt.


Dies sind grundlegende Fähigkeiten für emotionale Bindung. Emotionale Vernachlässigung hinterlässt Kinder mit einer reduzierten Synapsierung des orbitofrontalen Kortex und führt zu einer Verringerung emotionaler Lerngelegenheiten und Erfahrungen.

Der orbitofrontale Kortex ist

  • die höchste Ebene  der Verhaltenskontrolle
  • Kontrolle der limbischen Erregung


Trauma, Vernachlässigung, Missbrauch, Misshandlung, chronisch misslungenes Einschwingen führen zu einer starken Beschneidung von Synapsen im orbitofrontalen Kortex. Dessen Funktionieren ist essentiell für die Selbstregulation des Babys.

Das Oxytocinsystem ist der neurobiologische Mechanismus, der für die Regulation komplexer sozialer Verhaltensweisen wie Verbindung und elterliche Fürsorge verantwortlich ist.  Scheint seinen eigenen neuronalen Schaltkreis zu besitzen.

Höhere Mengen an Oxytocin bewirken  Abnahme von Stresshormon und Zunahme sozialer Interaktion und des Bindungsverhaltens. (Polak 2005)

Kleinkinder haben einen neuronalen Schaltkreis, der als Reaktion auf Angst aktiviert wird. Dieser wird reguliert durch die AMYGDALA (von Ledoux beschrieben): System kann Nähe zur Bezugsperson anregen, um Stress zu bewältigen, oder Schreien hervorrufen, um die BP zu alarmieren.

 

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