Die Gebärende sollte die Möglichkeit haben, sich in ihrem Geburtszimmer in geschützter Atmosphäre bewegen zu können. Michel Odent bezeichnet dies als «Privacy»(Odent 2000).
Unter der Geburt ist die älteste Hirnregion des Menschen die aktivste, dies betrifft vor allem den Hypothalamus (Oxytocin- und Endorphin-Ausschüttung) und die Hypophyse.
Der beim Menschen hochentwickelte Neokortex ist andererseits der Ausgangspunkt aller den Geburtsprozess hemmenden Prozesse. Im Verlauf einer ungestörten Geburt wird die Aktivität des Neokortex gebremst, die Gebärenden scheinen «in einer eigenen Welt» zu sein. Die Aufforderung an Frauen, sich zur Wehen-Anregung in öffentlichen Gängen und Treppenhäusern Bewegung zu verschaffen, ist nicht als förderlich einzustufen (Lang 2009). Jedes Ansprechen des Verstandes und damit des Neokortex wirkt hemmend auf den Geburtsverlauf. Mögliche Störfaktoren sind Sprache (vor allem die vernunftbetonte Sprache) oder gar Fragen, wie Erheben einer Anamnese. Weitere Faktoren sind helles Licht, Hektik und das Gefühl, beobachtet zu werden.
Von der Tür des Entbindungszimmers aus sollte man das Entbindungsbett nicht gleich sehen können. Ein Gefühl von Beobachtung besteht auch, wenn die Überwachung von kindlichen
Herztönen und Wehen mittels CTG zu sehr in den Vordergrund rücken.
Oxytocin ist ein «scheues Hormon», wie Michel Odent immer wieder betont. Nicht direkt Beteiligte dürfen das Ambiente nicht stören. Die innere Zwiesprache der Schwangeren mit
ihrem Ungeborenen hat einen direkten Einfluss auf die Wahrnehmung des Kindes. Wir sollten es der Mutter ermöglichen, gedanklich während des ganzen Geburtsprozesses mit ihrem Kind verbunden zu
bleiben.
Die Länge der Geburt ist proportional zur Anzahl der anwesenden Personen.
(Michel Odent)