Emotionelle Erste Hilfe


Emotionelle Erste Hilfe (EEH) wird eingesetzt als körperorientierter Ansatz in der Bindungsförderung von Eltern und Kind als auch in der Krisenintervention und Elternbegleitung. Thomas Harms beschreibt seine Methode in seinem Buch 2008:

 

«Sie bietet Eltern und Säuglingen akute Unterstützung und Hilfe an, wenn der emotionelle Draht, die Einfühlung und Nähe durch widrige innere oder äussere Umstände verloren gegangen sind. Der Ansatz hilft dann, wenn Eltern in den frühen Entwicklungsphasen nach der Geburt mit den Nerven am Ende sind, die Ausdruckssprache ihrer Kinder nicht mehr verstehen und kein Licht am Ende des Tunnels erkennen können».

 

 

Die EEH hat ihre Wurzeln in der Körperpsychotherapie nach Wilhelm Reich, der Säuglings- und Bindungsforschung sowie der Neurobiologie.

 

Die EEH hilft durch eine liebevolle Begleitung des Weinens der Kinder eine Auflösung von Körperspannungen, die Eltern erhalten so mit dem Begleitenden als «Sicherheitsstation» den Zustand der Offenheit und eine neue Bindungsbereitschaft.

Die Exploration der "innerpsychischen Dimension des Krisenerlebens" gehört zu den Hauptinstrumenten bei der Krisenintervention.

Die Aufmerksamkeit der Eltern wird von ihren eigenen Überlegungen und kognitiven Erklärungen sowie auch von den Äusserungen des Kindes ab- und auf ihre eigenen, konkreten Körperempfindungen hin gelenkt. Die Selbstregulationskräfte der Eltern wie auch der Kinder werden angeregt.

 

EEH in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett

 

Die Atmung nimmt in der EEH eine besondere Stellung ein. Über sie erhalten wir in jeder Lebensphase wichtige Körperinformationen. Die Atmung ist eine der wenigen vegetativen Funktionen, die wir ganz bewusst beeinflussen und nutzen können. Viele Leistungssportler benutzen diese Fähigkeit, um ihren Körper vor Wettkämpfen in eine entspannte Ausgangslage zu bringen.

Wir initiieren über die Bauchatmung einen stärkenden Regelkreis. Indem sich die Mutter auf ihren Bauch konzentriert, ihre Aufmerksamkeit nach innen wandert und sie dies in Nähe eines Begleiters spürt, kann ihr Organismus auf einen entspannenden Modus umschalten. Durch die Expansion des Zwerchfells und der Brustmuskeln entsteht das innere Gefühl von Weite. Die Phase der Ausatmung steht für Hingabe, Loslassen und Austausch. Durch Unterstützung der Bauchatmung können wir ganz gezielt die Stresslage ihres Körpers beeinflussen.

So stossen wir eine Domino-Reaktion an. Das Baby nimmt die positive Veränderung seiner Lebensumwelt schon intrauterin mit erhöhter Aufnahmebereitschaft wahr. Nach der Geburt lernen wir den Eltern im alltäglichen Umgang mit dem Kind ihre Bauchatmung als Hilfsmittel einzusetzen, um die Nähe zu sich und dem Kind aufzubauen.

Die Selbstanbindung und die Bauchatmung der Mutter sind in der Stillberatung unerlässlich. Hier kann auch der Vater einbezogen werden, indem er sich beim Stillen hinter seine Partnerin setzt. Dies fördert die gemeinsame Verhaltensbeobachtung des Säuglings. Ich selbst plädiere dafür, diese Bindung durch Hautkontakt zu verstärken (skin to skin).  Zusammen als TRIADE (Mutter, Vater und Kind) lernen sie die Signale ihres Kindes zu verstehen. Diese Bindungsstärkung schafft besseren Zugang zu den Gefühlen und Bedürfnissen des Kindes, oder anders ausgedrückt Brücken zur Körpersprache des Kindes.

 

Die Post-Trauma-Begleitung ist ein weiteres Einsatzfeld der EEH

 

Die traumatische Reaktion auf Gefahr bewirkt ein kämpfen, flüchten oder erstarren (immobilisieren). Es findet kein gezieltes Denken und Handeln statt. Überleben steht im Vordergrund.
Die Bindung bricht ab, die traumatischen Energien dominieren. In der EEH stärken wir die Bindung um das Nähefeld zu fördern, wir suchen und stärken Ressourcen und unterstützen die Resonanzbildung. Das Schwergewicht der Trauma-Arbeit liegt auf der Bindungs-Förderung. Die Stärkung der Bindungsenergie lässt zu, dass das Trauma ruhen darf und nicht andauernd im Hier und Jetzt wirkt.
Ziel ist, dass die betroffene Person in der aktuellen Lebenssituation mit dem Baby und dem Partner wieder berührungsfähig wird.
Wir ergründen die Stressdynamik mit dem „7-Schritte-Modell“ um einen Kontakt mit dem Kind aufzubauen und nutzen für die Rückführung der Bindungsfähigkeit  als Techniken die „Nabelschnurtechnik“, den „inneren Helfer“ oder die  „künstliche Dissoziation“ (Harms 2008).  


Ich erfahre immer wieder, dass die Eltern beginnen, ihren Körper als besten aller möglichen Ratgeber anzunehmen, indem sie anfangen, im Kontakt mit dem Kind, auf die körperlichen Botschaften und Signale zu achten. In diesen Beratungen hilft es mir, dass die Mütter und Väter ein Instrument in die Hand bekommen, das sie selbst bestimmen können – und das ansteckend wirkt!

Die Therapie beim Kind beginnt erst, wenn die Eltern in einer guten Einstimmung, in harmonischer Interaktion und damit haltefähig sind – und wird unterbrochen, wenn die Eltern Zeichen von Angst und Stress zeigen. Bei den Kindern fördert die EEH die Bindungsbereitschaft hauptsächlich mit leichten Berührungen der Schmetterlingsmassagen. Die Babys finden ihre Interaktion durch Blickkontakt, Körpersprache und schreien weniger. Dementsprechend wird auch das Schlafverhalten positiv beeinflusst.

Weitere Einsatzmöglichkeiten der EEH:

  • Förderung der Bindung Mutter-Kind bereits in der Schwangerschaft durch Angstreduktion oder Stressabbau. Dies mit dem Wissen der Entwicklung der Selbststeuerung des Babys (siehe Gehirnentwicklung)
  • Im frühen Wochenbett können von den begleitenden Hebammen oder Pflegenden Beratungen als Elemente der EEH einfliessen.
  • Die Bauchatmung kann bei Stillenden sehr gut angewendet werden, um Verkrampfungen zu lindern. Stress blockiert in allen Systemen.

 

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